„Arbeit macht frei" - Was für eine Lüge

(Berenike Severin, 10B) November 2023: Anmeldung zur Dachau-Fahrt??

Klar melde ich mich an. Doch je näher die Fahrt rückte, umso sorgenvoller wurde ich.

Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich mit den Eindrücken klarkommen würde. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht viel über Konzentrationslager und den Zweiten Weltkrieg im Allgemeinen. Doch es reichte, um zu wissen, dass es mich bedrücken könnte und es keine Klassenfahrt wird, bei der es darum geht, Spaß zu haben. Ich blieb aber bei meiner Entscheidung mitzufahren, weil für mich die Vorteile ganz klar überwogen. Nämlich gerade im Hinblick auf die derzeitige Antisemitismus-Debatte finde ich es wichtig, dass sich unsere Generation mit dem auseinandersetzt, was in Deutschland bereits geschehen ist.

Aschermittwoch 4:00 Uhr, der Wecker klingelt. Karneval ist vorbei, die Realität hat uns eingeholt. Mit dem Zug ging es über München nach Dachau. Nach einem leckeren Mittagessen in der sehr ansprechenden Jugendherberge haben wir die Stadt Dachau erkundet und uns schon mal mit dem Thema befasst. Die Stadt ist voll mit Gedenktafeln und ist geprägt von ihrer Geschichte.

Halbwegs fit ging es am nächsten Morgen direkt los. Wir machten uns auf den Weg zum ersten Besuch der Konzentrationslager-Gedenkstätte Dachau.

„Arbeit macht frei“ - Was für eine Lüge! Beim Durchschreiten des Tores mit diesem Schriftzug zieht sich bei mir alles zusammen. Vor mir erstreckt sich der weite Appellplatz. Hier versammelten sich jeden Morgen alle Gefangenen und wurden einzelnen Arbeiten zugeteilt, in 12 Jahren (1933-1945) über 200.000 Gefangene mit mehr als 41.000 Todesopfern. Schon den Appellplatz verließen viele nicht mehr lebend. 

Auf der rechten Seite grenzt ein Bauwerk an. Hier wurden die Häftlinge bei Ankunft registriert: Kopfrasur, Ausziehen der gesamten Kleidung, Anlegen von Häftlingskleidung. Nicht zu glauben, in diesen Räumen zu stehen mit der Selbstverständlichkeit von Privatsphäre, Meinung und Schutz. Heute wird der Bereich als Museum genutzt.

Ein weiterer Schock überkommt mich beim Betreten der Baracken. 2000 Menschen jeweils auf engstem Raum. 200 Betten. Denn das war die eigentlich geplante Kapazität. Ich bin hin und hergerissen, mich wirklich in die Lage der Menschen reinzuversetzen. Das Schicksal der Gefangenen ist so schrecklich, dass ich am liebsten gehen möchte, weg von diesem grausamen Ort. Doch ich bin hier, um mich damit zu beschäftigen. Unvorstellbar, wie Menschen gelitten haben.

Bei kleinsten Fehlern folgte direkte Exekution oder die Folter in Einzelhaft entweder in 70x70 cm Grundfläche oder einer Haft ohne jegliches Licht. Dazu jeden Morgen die willkürliche Gefahr des Todes durch Erschießung.

Sofortige Fluchtgedanken überkommen mich beim Betreten der Gaskammer. Nein, kein „Brausebad“, wie es den Betretenden vorgespielt wurde. Eine weitere Lüge Dachaus. Dieses KZ war kein eigentliches Vernichtungslager, sondern eher ein Arbeitslager, daher ist über die Verwendung der Gaskammer wenig bekannt. Doch so ein Unterschied ist das auch nicht. Der Begriff Arbeitslager wird oft ziemlich verharmlost. Nur weil Dachau kein Vernichtungslager war, heißt das nicht, dass dort niemand ums Leben gekommen ist. Definitiv das krasseste Erlebnis für mich.

Als Abschluss unseres Seminars sind wir eingetaucht in Biografien. In Kombination mit dem Gedenkstättenbesuch war das sehr bewegend. Durch die Tagebucheinträge konnte ich mir den Tagesablauf in Dachau sehr gut vorstellen.
Eine rundum gelungene Fahrt endete mit einem kurzen Aufenthalt in München.

Ich habe durch den Besuch ein anderes Verständnis für unsere Vergangenheit bekommen. Auch wenn ich in vielen Momenten echt schockiert war, wie Menschen so etwas angetan werden konnte, bin ich froh, dass ich mich emotional eingelassen habe. Wenn ihr mich fragt, würde ich euch die Fahrt absolut ans Herz legen. Ich bin super dankbar, dass wir die Chance haben, eine solche Exkursion mit der Schule machen zu können.


In Dachau waren nicht nur Juden inhaftiert, sondern auch Homosexuelle, Pfarrer, Journalisten, Künstler und Unternehmer. Es handelte sich überwiegend um Männer, die zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.